Beef Jerky – meine moderne Weiterentwicklung eines alten Prinzips

Wer mich kennt, weiß: Ich liebe kleine Küchenexperimente – besonders, wenn sie einen Bezug zu früheren Zeiten haben.
Schon während der Palafitfood-Challenge haben wir mit der AG Lebendige Archäologie ein erstes Rinderdörrfleisch ausprobiert – ganz schlicht, nur mit Salz, Thymian und viel Geduld. Das Ergebnis war wunderbar aromatisch und erstaunlich nah an dem, was in der Vorgeschichte möglich gewesen wäre. Wer es nachlesen möchte: Thymian-Rinder-Dörrfleisch ist weiterhin auf der Palafitfood-Seite zu finden.

Seitdem hat mich das Thema Dörren nicht mehr losgelassen. Ich nutze meinen Dörrapparat viel in der Vorratshaltung, sei es zum Trocknen von Chili oder Suppengrün – und jetzt in diesem Fall zum Haltbarmachen von Fleisch.

Und nun ist eine moderne Variante entstanden – eher „Alltagsküche“ als „Experimentalküche“, aber genauso spannend: mein Beef Jerky mit Honigsenf und Röstzwiebeln.

Ich hatte schöne Rinderrouladen, wollte ein bisschen improvisieren – und habe einfach geschnippelt, mariniert, ruhen lassen und schließlich rund sechs Stunden gedörrt. Herausgekommen ist ein zartes, würziges Jerky, leicht süßlich und angenehm intensiv.

Während das Fleisch vor sich hin trocknete, musste ich wieder an die Vorgeschichte denken: Denn egal, ob Paläolithikum, Jungsteinzeit, Bronze- oder Eisenzeit: Fleisch zu trocknen ist eine der ältesten Methoden überhaupt, um Vorräte anzulegen. Feuer, Rauch, Luft – mehr brauchte es oft nicht. Und ob Jäger auf Wanderung oder sesshafte Gemeinden in der Jungsteinzeit: Dörrfleisch war nahrhaft, transportabel und lange haltbar.

Auch wenn meine moderne Marinade natürlich nicht „authentisch“ ist, bleibt der Kern derselbe:
Dünne Streifen + Wärme + Zeit = Vorrat.
Und dieser Gedanke gefällt mir jedes Mal wieder.

Irgendwann möchte ich gern eine weitere prähistorische Variante ausprobieren – vielleicht mit Räucherofen, vielleicht nur mit Lufttrocknung, ganz ohne moderne Zutaten. Sozusagen ein nächster Schritt nach dem Palafitfood-Rezept.

Für heute aber bleibt es bei meiner persönlichen Lieblingsvariante, und das vollständige Rezept stelle ich euch in die Küchenrubrik auf meiner Webseite ein.

Vielleicht bekommt ja jemand von euch Lust, ebenfalls mit alten und neuen Methoden zu experimentieren.

Kelten, Germanen und Römer in Mittelhessen

Ende Oktober habe ich das Alte Rathaus in Lohra besucht und mir dort einen faszinierenden Vortrag angehört. Der Geschichtsverein Lohra präsentierte Dr. Armin Becker (Archäologischer Park Xanten) der uns auf eine archäologische Zeitreise durch Mittelhessen führte – von den Kelten über die Römer bis zu den Chatten, die später als mögliche Namensgeber der Hessen gelten.

Bereits in der Hallstattzeit, also der älteren Eisenzeit, war der mittelhessische Raum eine Kontaktzone zwischen Kulturen: zwischen den ersten Bauern in der Wetterau und den letzten Jägern und Sammlern im Norden, zwischen Kelten, Germanen und später Römern. Besonders eindrucksvoll wurde gezeigt, dass Hessen in der Spätlatènezeit – der jüngeren Eisenzeit – zum Kerngebiet der keltischen Oppida gehörte.
Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Dünsberg bei Gießen, eines der größten keltischen Siedlungszentren der Region.

Mit der römischen Expansion unter Cäsar und Augustus verlagerte sich das Geschehen zunehmend an den Rhein und in die Wetterau. Zahlreiche römische Marschlager, etwa bei Limburg oder Hermeskeil, belegen die strategische Bedeutung des Gebiets. Die Römer drangen weit nach Germanien vor – und errichteten schließlich bei Waldgirmes an der Lahn die erste römische Stadt östlich des Rheins.

Von RGK Ffm / Förderverein Römisches Forum Waldgirmes e.V., CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27699071

Die Ausgrabungen dort sind spektakulär: Fachwerkbauten auf steinernen Fundamenten, ein kleines Forum, Reste einer vergoldeten Reiterstatue und Hinweise auf eine geplante Stadtanlage, die nie vollendet wurde. Vermutlich endete das Projekt mit den Ereignissen des Jahres 9 n. Chr., der Varusschlacht. Waldgirmes wurde später planmäßig aufgegeben – ein Hinweis darauf, dass Rom den Traum einer Provinz bis zur Elbe aufgab.

Nach der Varusschlacht blieb das Rhein-Main-Gebiet jedoch nicht verlassen. Römische Lager in Südhessen zeigen, dass das Reich die Region weiter beobachtete und sogar germanische Gruppen als Grenzwächter ansiedelte. Im 1. Jahrhundert kam es zu mehreren Konflikten, unter anderem zu den Chattenkriegen unter Domitian (83–85 n. Chr.), die zur dauerhaften Sicherung der Wetterau führten. In dieser Zeit entstand auch der Limes, dessen Verlauf bis heute durch archäologische Befunde und Dendrochronologie – etwa an der Rätischen Mauer (206–207 n. Chr.) – genau datiert werden kann.

Der Vortrag spannte den Bogen bis ins 3. Jahrhundert, als unter Kaiser Caracalla (211–217 n. Chr.) erneut Feldzüge gegen Germanen stattfanden. In den römischen Quellen tauchen Begriffe wie „Germanicus Maximus“ und „per limitem Raetiae“ auf, die auf seine Aktivitäten am Limes hinweisen. Funde wie das Limestor von Dalkingen oder goldverzierte Inschriften (Litterae aureae) belegen die römische Präsenz in dieser Zeit.

Im nördlichen Hessen kam es schließlich zu Kämpfen, die man heute archäologisch am Harzhorn nachweisen kann – Spuren eines bislang unterschätzten Gefechts, bei dem römische Truppen offenbar von Süden kommend einen germanischen Angriff abwehrten.

Abschließend wandte sich der Referent der Frage zu, ob die Chatten tatsächlich die Vorfahren der Hessen seien. Zwar zeigen Siedlungen in Mittelhessen seit dem 2. / 3. Jahrhundert eine kontinuierliche Besiedlung, doch es gibt keinen sicheren sprachlichen oder ethnischen Zusammenhang zwischen den Chatti der Antike und den Hessi aus den Bonifatiusbriefen des 8. Jahrhunderts.
Die Gleichsetzung beider Gruppen entstand erst im 17. Jahrhundert, als die Landgrafschaft Hessen-Kassel begann, sich eine heroische Vergangenheit zu schaffen.

Der Vortrag schloss mit einem eindrucksvollen Fazit:
Hessen war nie ein Randgebiet, sondern seit der Vorgeschichte ein Zentrum des Austauschs, in dem sich über Jahrtausende Kulturen begegneten, überlagerten und veränderten – ein faszinierender Blick auf die tiefe Vergangenheit unserer Region.

🌞 Tante Dele – Mein Sonnenschein

Wenn ich in alten Kisten wühle, ahne ich selten, dass sie mir den Atem rauben werden.
Doch an einem Abend im Oktober geschah genau das.
Zwischen vergilbten Fotos und vergessenen Briefen tauchte sie wieder auf – meine Urgroßtante Adele Jäger, die alle nur „Tante Dele“ nannten.
Eine Frau, die mich als Baby noch gekannt hat, die mich zärtlich „mein kleiner Sonnenschein“ nannte – und deren Lebensspuren mich nun plötzlich mitten ins Herz trafen.


Junge Jahre – die Leichtigkeit vor dem Sturm

Auf einem alten Foto blickt mir eine junge Frau entgegen: 21 Jahre alt, fein gekleidet, neugierig, ein Lächeln, das zugleich Stolz und Zuversicht verrät.
Dieses Porträt wurde wohl um 1906 aufgenommen – in einer Zeit, in der sie als angehende Putzmacherin in Essen arbeitete oder vielleicht gerade auf Lehrgang war.
Man spürt den Aufbruch: die Freude am Handwerk, am Leben, an der eigenen Zukunft.

Ein zweites Foto zeigt sie einige Jahre später am Meer – vermutlich an der Ostsee, vielleicht in Misdroy.
Dele steht mit Freundinnen oder ihren Geschwistern lachend am Strand, die Haare vom Wind zerzaust, das Kleid leicht, der Himmel weit.
Es ist ein seltenes Bild weiblicher Unbeschwertheit aus jener Zeit – ein Sommer, bevor Europa sich veränderte.


🕊️ Erster Weltkrieg – Sanatorium und Pflichten

In den Kriegsjahren führte das Leben sie an Orte, von denen heute nur noch alte Postkarten erzählen.
Auf einer Aufnahme aus 1915 sieht man Dele in einem Garten mit weißen Gebäuden im Hintergrund – ein Sanatoriumsort, wahrscheinlich Bad Sülzhayn im Harz.
Dort arbeitete sie zeitweise, möglicherweise im Umfeld einer Heilanstalt oder als Helferin, wie viele Frauen ihrer Generation.
Auch hier trägt sie Haltung, Ruhe, Würde – mitten im Wandel der Zeit.


🧵 Ein Leben zwischen Hutnadeln und Herzenswärme

Zurück in Frieden und Alltag gründete sie später ihr eigenes Geschäft:
Ein Atelier und Putzgeschäft in Wernigerode, das sie gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Berta Wilde führte.
Berta und Dele – das war ein Team fürs Leben, im Beruf wie im Alltag.
Als ihre Schwester starb, nahm Dele die Nichte Charlotte („Lotte“) Roth bei sich auf, sorgte für ihre Ausbildung und blieb auch später für deren Tochter Margrit – meine Mutter – und schließlich für mich ein fester Halt.


🔥 Zweiter Weltkrieg – Mut im Angesicht der Zerstörung

Ein anderes Foto zeigt ein ganz anderes Essen: zerbombte Straßen, ausgebrannte Häuser, Rauch in der Ferne.
Hier hat Dele gelebt – in der Daimlerstraße in Essen-Bredeney.
Sie blieb, half, organisierte, arbeitete für die Stadtverwaltung im Wirtschafts- und Ernährungsamt.
Ihr Arbeitszeugnis von 1945 lobt sie ausdrücklich: „Zur vollsten Zufriedenheit – zuverlässig, pflichtbewusst, gewissenhaft.“
Und sie war noch mehr als das – mutig.
Nach der Evakuierung überquerte sie mehrmals die „grüne Grenze“, um ihre Habseligkeiten und Bertas Nähmaschine aus Thüringen nach Hause zu bringen.


👑 Briefe an Prinzessinnen

Zwischen all den privaten Papieren tauchten später Karten auf – handschriftlich signiert von Herzogin Viktoria Luise von Preußen, Prinz Louis Ferdinand, Prinzessin Kira und sogar von Prinzessin Margriet der Niederlande.
Dele hatte tatsächlich über viele Jahre mit Mitgliedern des europäischen Hochadels korrespondiert – nicht aus Eitelkeit, sondern aus echtem Interesse an Geschichte, Familie und Herkunft.
Sie schrieb über Genealogie, über „große deutsche Familien“, über Tradition – und erhielt ehrliche Antworten.
Ihre Briefe sind Zeugnisse von Bildung, Stil und Haltung, geschrieben in einer Zeit, in der Frauen wie sie oft übersehen wurden.


🌿 Spuren von Glauben und Zärtlichkeit

Zwischen Telefonnummern und Adressen in ihrem alten Notizbuch fand sich ein einziger poetischer Einschub:
die erste Strophe des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“.
Ein stilles Glaubenszeugnis mitten im Alltäglichen – so typisch für Dele:
praktisch und diszipliniert, aber mit einem Herzen, das an das Gute glaubte.


💫 Mein kleiner Sonnenschein

Sie starb 1969, als ich noch ein Kind war.
Aber seit ich ihre Briefe, Fotos und Worte wiederentdeckt habe, ist sie mir näher als je zuvor.
Ich sehe sie jetzt nicht nur als die ältere Dame auf vergilbten Bildern, sondern als junge Frau am Meer, als entschlossene Unternehmerin, als mutige Überlebende –
und als Mensch mit Haltung, Herz und Humor.

„Mein kleiner Sonnenschein“ –
so nannte sie mich.
Und heute, Jahrzehnte später, scheint ihr Licht noch immer.